Die beiden Städte Samarkand und Bukhara gelten als die beiden Perlen der Seidenstrasse schlechthin. Beides waren Knotenpunkte dieses Handelsnetzes, welches von Ostchina bis ans Mittelmeer reichte. Hier ziemlich genau in der Mitte traf Ost auf West und die Händler tauschten Waren gegen Münzen oder Waren gegen Waren. Gewürze, Gold, Seide, Gefässe, Messer und viele weitere Kostbarkeiten wechselten hier die Hände. Alte Fotografien aus diesen Städten wirken wie Aufnahmen aus einem historischen Spielfilm.
Und wer in Bukhara durch die sandfarbene Altstadt läuft, braucht wirklich nicht viel Vorstellungskraft, um in der Zeit zurückzureisen. Auch heute ertönen aus einigen Werkstätten noch die Klänge der Messerschmiede oder der Graveure. Und wie früher wird unter den alten Steinkuppeln um Teppiche, Tücher, kleine Andenken und Taschen aus Kamelwolle gefeilscht. Die Händler sind stets freundlich, humorvoll und so gut wie nie aufdringlich.
Natürlich ist Bukhara’s Altstadt für Touristen hergerichtet, dennoch strahlt sie viel Leben aus. Sobald die Sonne die Strassen wärmt bauen die Händler ihre Warenauslage auf. Die Mütter ziehen die Kinder hinter sich her auf dem Weg zur Schule und die Männer radeln zur Arbeit.

In Bukhara gibt es zahlreiche Medressen und Moscheen zu besichtigen und alle haben ihre eigene Geschichte. Uns interessiert eher das grosse Ganze als die Bedeutung jeder einzelnen Fliese und so schweifen meine Gedanken während der Erzählungen der Reiseleiterin des Öfteren ab zum nächsten guten Bild. In meinen Augen der schönste Komplex heisst Poi Kalon. Er besteht aus der Alim-Khan Medresse, der Kalon Moschee mit beeindruckendem Minarett und der Mir-Arab Medresse. Letztere wird heute noch als Koranschule genutzt und man hört von aussen, wie die jungen Studenten drinnen Koransuren auswendig lernen. Besonders schön ist die Anlage kurz vor Sonnenaufgang und bei Sonnenuntergang.

Bukhara ist anders als Khiva und Samarkand nicht piekfein herausgeputzt. Risse durchziehen Backsteinmauern und mancherorts blättert die Farbe von Türen und Fenstern ab. Aber genau das ist es, was Bukhara so viel Atmosphäre verleitht. Einmal abgebogen und wir befinden uns in verwinkelten Gässchen und blicken in staubige Hinterhöfe. Auch die geschützten Gebäude der Altstadt sind teilweise am Zerfallen. Das liegt wohl daran, dass es einfach zu viele sind, um sie alle zu erhalten. Aber vielerorts wird weiter restauriert und wir sind überzeugt, dass es in einigen Jahren noch mehr Gebäude auf der jetzt schon langen Liste der sehenswerten historischen Gebäuden haben wird.
Ein besonderes Erlebnis fernab der gängigen Touristenströme ist unser Besuch auf dem Tiermarkt am frühen Sonntagmorgen. Dieser findet von 3 bis 9 Uhr statt. Wir treffen erst nach sieben Uhr ein und fragen uns schon, warum um alles in der Welt dieser Basar mitten in der eiskalten Nacht stattfinden muss. Nach einigen Verständigungsschwierigkeiten bezüglich des Eintrittspreises (der Billetverkäufer gestikuliert: Schafe und Ziegen kosten 80 Rappen, Menschen sind gratis und somit sind wir gratis, wir haben ja schliesslich keine Hörner), betreten wir diese Männderdomäne. Buben, Väter und Grossväter handeln um Tiere, wärmen sich am Feuer und laden Erworbene Vierbeiner wenig zimperlich in die Kofferräume ihrer Ladas. Wir scheinen für die Händler fast so spannend wie die angebotenen Tiere. Frauen gibt es nur eine handvoll und sie bereiten heisse Getränke und mit Kartoffeln gefüllte Teigtaschen zu.
Insgesamt verbringen wir ganze sechs Nächte in Bukhara. Dies ist vor Allem den ziemlich ausgebuchten Zügen geschuldet. Natürlich wird uns da auch ab und zu ein Bisschen langweilig. Aber wir haben in den letzten sechs Monaten gemerkt, wie wichtig solche ruhigen Tage ohne grosses Programm sind. Ansonsten würden wir irgendwann eine Sightseeing-Überdosis kriegen. Und oft sind es die vermeintlich langweiligen Tage, die die schönsten Überraschungen bringen. So stolpern wir in kleinste Museen, wo Klein R zur Prinzessin wird oder tanzen in unserem Guesthouse mit den beiden Jungs zu Usbekischer Partymusik um die Wette. Und wir nutzen die Langeweile, um uns im Wohnzimmer die Haare schneiden zu lassen oder um etwas Sport zu machen.

Nächster Halt auf unserer Rückreise in die Hauptstadt Tashkent: Samarkand - für die meisten Touristen das Highlight der Usbekischen Seidenstrasse.
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