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Draussen

Autorenbild: Gross LGross L

Aktualisiert: 24. Feb. 2024

Wir haben einen grossen Sprung von 2500 km Richtung Heimat gemacht und befinden uns doch immer noch in Kasachstan. Und zwar in Aqtau am Kaspischen Meer. Vor Kurzem noch im Schneesturm in Petropavl, heute bereits am Strand. Für uns kurios, für Klein R das Normalste der Welt. Anstelle von Eiszapfen sammelt sie jetzt halt Muscheln.


Klein R weiss, dass wir bereits auf dem Heimweg sind. Wir haben sie vor Kurzem gefragt, was sie denn denke, wie lange dieser dauert. Sie meinte nur schulterzuckend: „jooo, sicher länger aus e Haubstung.“ Aber eigentlich ist ihr das ziemlich egal, sie lebt im Hier und Jetzt. Und solange es irgendwas zum Spielen gibt – und das gibt es in der Natur immer – ist sie glücklich.

Klein R am Strand von Aqtau

Durch die Erwachsenenbrille betrachtet, ist Aqtau keine Stadt zum Verlieben. An bester Lage an der Küste tummeln sich Hotelbunker und durch hohe Mauern abgeschirmte Villen. Dahinter reihen sich heruntergekommene Plattenbausiedlungen. Wir stapfen durch einen Matsch aus Schnee und Sand zum Strand und blicken auf das trübe Wasser.


Aber wie so oft ist das Wetter der wichtigste Mitspieler und am nächsten Tag zeigt sich die steinige Küste von ihrer besten Seite und wir schlendern durch puderzuckerweissen Pulverschnee am Meer entlang.


Aqtau ist unsere letzte Station in Kasachstan. Wir haben in den letzten vier Wochen nur ein paar kleine Ecken dieses riesigen Landes kennengelernt. Wer Städte mag, der kann Kasachstan wunderbar mit dem Zug bereisen. Wer wie wir doch lieber die Natur besucht und gerne spontan unterwegs ist, hat es ohne eigenes Auto eher schwierig. Kaum einer spricht Englisch, Fahrkarten sind auf Wochen im Voraus ausverkauft und was nicht an der Bahnlinie liegt, ist eigentlich unerreichbar. Und doch haben wir genügend gesehen, um sagen zu können, dass Kasachstan landschaftlich eine Wucht ist. Hier gibt es wohl alles, was Naturliebhaber suchen und wahrscheinlich müssen wir irgendwann nochmals mit Marmot zurückkommen 😉


Für kasachische Verhältnisse direkt neben Aqtau, also knapp 200km entfernt, gibt es eindrückliche Felsformationen mitten in der Wüste. Wir entscheiden uns, mit dem Zug in ein kleines Dorf zu fahren und dort auf gut Glück jemanden zu suchen, der mit uns eine kleine Exkursion zu den Felsen macht. Alle Zugspassagiere sind verwundert darüber, dass wir hier mitten im Nirgendwo zusammenpacken und aussteigen wollen. Und auch die Zugsbegleiter und weitere Leute auf dem Bahnsteig möchten uns gerne wieder in den Zug zurückschicken. Wir versichern ihnen, dass wir schon wissen, was wir tun und hierbleiben möchten. Und obwohl wir dann wie bestellt und nicht abgeholt ratlos und ohne Internet am winzigen Bahnhof stehen, findet uns ein Bisschen später das Glück.

Unser Fahrer, der nur wenig Russisch und schon gar kein Englisch spricht, unterhält uns die ganze Fahrt über und ist sichtlich belustigt und erstaunt darüber, drei Schweizer im Auto zu haben. Mehrmals fragt er uns, ob wir schon gehört haben, dass es einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine gebe. Und Hamas und Israel? Wir versichern ihm, dass wir davon auch schon gehört hätten. Ukraine und Israel sind übrigens die Guten. Und die Schweiz ist auch gut, denn da gibt es Demokratie. In Kasachstan sind alle korrupt. So ist das.


Und die Bilder von den Felsen in der Wüste, die sprechen für sich. Wie so oft auf dieser Reise hat es sich gelohnt, ins Unbekannte aufzubrechen und mit etwas Mut im Gepäck loszuziehen.


Für die Rückreise haben wir keine gültigen Tickets und am Bahnhof und ohne Internet können wir auch keine kaufen. Und so schieben wir dem Schaffner halt zwei Banknoten rüber. Schon werden wir reingelassen und dürfen uns zu einer Frau mit geblümtem Nachthemd in ein Abteil der 3. Klasse setzen. So ist das.


Und nun geht es für uns zurück über das Kaspische Meer, zurück in den Kaukasus. Nach einem Zwischenhalt in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans, werden wir in Georgien unseren Marmot aus dem Winterschlaf holen und Richtung Türkei aufbrechen. Wir freuen uns darauf, mit Marmot wieder mehr Flexibilität zu haben und ganz unbeschwert in die ländlichen Gegenden und abgelegenen Ecken fahren zu können. Was wir vor der Reise vermuteten, hat sich bestätigt: wir lieben die Freiheit, die uns ein eigenes Auto bietet und wir schlafen lieber im eigenen Bett, als in Hotels oder Apartments. Und obwohl wir ein paar Tage in einer Grossstadt jeweils durchaus geniessen, zieht es uns meist relativ schnell wieder raus in die Natur und in kleine Dörfer. Gerade in Ländern, in denen der Wohlstand noch nicht so hoch ist, sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land so gross, dass man beides sehen sollte, um sich ein richtiges Bild von einer Nation machen zu können.


Unsere Heimreise wird sicherlich deutlich länger als eine halbe Stunde dauern und ganz bestimmt werden wir noch Vieles erleben, spannende Orte besuchen und atemberaubende Landschaften sehen. Wir freuen uns besonders auf den Süden der Türkei. Und trotzdem ist dies voraussichtlich der letzte Beitrag unserer einjährigen Eurasien-Reise auf diesem Blog. Im Mai werden wir euch gerne persönlich von unseren letzten vier Monaten „on the road“ erzählen und euch unsere Fotoalben zeigen. Diese sind natürlich bereits in Arbeit 😊


Wir danken euch fürs Mitlesen und die vielen netten Kommentare und Nachrichten als Reaktion auf unsere Berichte! Es war uns eine grosse Freude, einige unserer Erlebnisse über diesen Blog mit euch zu teilen!


Das letzte Wort widmen wir gerne den großartigen Menschen, die wir bis jetzt auf der Reise getroffen haben. Die allermeisten von ihnen, werden sich niemals eine längere Reise ins Ausland leisten können. Und dies nur, weil sie eben nicht in einem reichen Land wie der Schweiz geboren wurden. Und so lebten und leben wir ihnen einen Traum vor, der für sie trotz harter Arbeit und Fleiss nie in Erfüllung gehen wird. Dennoch hat uns keiner von ihnen die Türe vor der Nase zugeschlagen. Im Gegenteil, wir wurden fast immer und überall mit offenen Armen empfangen und mit Gastfreundschaft, Interesse und guten Wünschen überhäuft. Danke!


„Reisen ist nicht die Ernte harter Arbeit. Sondern eines Privilegs. Jeder, der es geniesst, sollte sich dessen zumindest bewusst sein.“ - @notizenvonunterwegs, Youtube

 

Stellvertretend für sie alle, hier ein Foto von unserem Fahrer zu den Felsen in der Wüste:

Danke.

 

5 Comments


Guest
Jan 22, 2024

Schön durften wir dank eurem Blog und den tollen Bildern einen kleinen Teil eurer Reise sein. 💕Wir wünschen euch eine schöne und erlebnisreiche Heimreise ! Wir freuen uns jetzt schon euch in etwas mehr als einer halben Stunde wieder zu sehen! 😉

Häbit Sorg bis gli im Mai😘

Doris, Dani & Bushira🐶

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Guest
Jan 22, 2024

Liebe Amstads

Herzlichen Dank, dass ihr uns in diesen 7 Monaten an eurer Reise und euren Abenteuern habt teilhaben lassen. Ich habe eure Berichte und wunderschönen Fotos immer sehr interessiert gelesen und betrachtet und werde sie auch weiterhin wieder hervorholen und mir wieder vorstellen, wie ihr dieses und jenes wohl erlebt habt. Und ja, es ist so, dass wir aus der reichen Schweiz wirklich privilegiert sind, reisen zu können, auf welche Art auch immer und uns dessen stets bewusst sein sollten, auch zu Hause, in unserem wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Umfeld, wo manchmal Dinge zu angeblichen Problemen hochstilisiert werden, deren man sich angesichts der Welt, die es da draussen gibt, schämen muss, dass so etwas überhaupt als "Problem" genannt wird.

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Guest
Jan 22, 2024

Liebe Amstads

Vielen Dank für die interessanten Reiseberichte! Das ist eine Welt, die ich nie erlebt habe und wahrscheinlich auch nie sehen werde. Umso intressierter las ich stets euren Bericht😉

Nun wünsche ich euch auf eurer Rückreise, die etwas länger als eine halbe Stunde dauert😉😍 weiterhin viele spannende und eindrückliche Erlebnisse! Häbet Sorg🍀 und wir freuen uns euch im Mai wieder in der Schweiz begrüssen zu dürfen! Liebe Grüsse Renate Bruno und Lena😘

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Guest
Jan 20, 2024

Liebe Lea und R's...

Danke für all die wunderschönen Fotos und interessanten Berichte eurer Reise. Ich werde es sehr, wirklich sehr vermissen von euch zu lesen.

Dank der Bilder durfte ich mich in Gegenden träumen, die ich wahrscheinlich nie live zu sehen bekomme. Es war schön und äusserst spannend, Einblicke in die Kultur und die menschlichen Eigenheiten der Regionen zu erhalten. Einige Orte werde ich auf Grund der einzigartigen Architektur wohl mal besuchen MÜSSEN.

Geniesst eure Rückreise und kommt gesund zu Hause an.

Lieber Gruss, Ruth mit Martin und Simon

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leaallemann
Jan 21, 2024
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Hoi Ruth, merci vielmals :-) ich denke dann "muss" Baku auch noch auf deine Liste. Das Heydar Aliev Center ist ein richtiges Meisterstück von Zaha Hadid. Und auch sonst ist Baku ein Fest für die Sinne jedes Architekten! Hier verschmelzen Paris, Persien und Dubai... liebe Grüsse an euch drei!

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