Wir sind unterwegs nach Jerewan, der Hauptstadt Armeniens. Bevor wir uns aber den menschgemachten Sehenswürdigkeiten der Stadt zuwenden, besuchen wir noch ein einzigartiges Naturspektakel. In einer langen Schlucht bestaunen wir fast fünfzig Meter hohe steile Wände, die aus tausenden Basaltsäulen geformt sind. Die fünf- und sechseckigen Steine reihen sich eng aneinander und erinnern an eine übergrosse Orgel. Wir können uns nicht wirklich erklären, wie diese Formation entstanden ist. Wir wissen lediglich, dass es sich um vulkanisches Gestein handelt. Jedenfalls wirkt das Ganze wie aus einer anderen Welt.
Auf der Rückfahrt zu unserem Campingplatz quetschen wir uns zu fünft in einen schrottreifen Lada. Der alte Greis am Steuer scheint überhaupt keine Bedenken zu haben, ob wir eventuell etwas zu schwer sein könnten, für sein treues Gefährt. Tatsächlich schaffen wir es knapp den Berg hoch und mit heftigem Zerren von aussen und gleichzeitigem Drücken von innen, kriegen wir dann auch die Beifahrertür auf, so dass auch unser Freund aus dem Graubünden mit aussteigen darf.

Aber jetzt nach Jerewan. Jerewan ist anders. In Jerewan sind die Ladas ausgestorben. Wer Geld hat, investiert in Luxusschlitten und Schönheitsoperationen. Die Dichte an Nasenpflastern und Mercedes G-Klasse-Wagen ist hoch. Aber Jerewan überrascht auch mit unzähligen hübschen Cafés und Restaurants, die alle gut besucht sind. Ebenso passieren wir einige Bars und Jazz-Keller. Uns gefällt, dass die Einwohner nicht einfach blind den Westeuropäischen Stil kopieren. Vielmehr haben sie ihren ganz speziellen modernen Stil entwickelt und jedes Lokal hat eine eigene Handschrift.

Die augenfälligste Sehenswürdigkeit der Hauptstadt ist aber der Kaskaden-Komplex. Diese riesige Treppe ist gleichzeitig eine Kunstausstellung und verbindet den oberen mit dem unteren Teil der Stadt. Also jedenfalls in der Theorie. Denn der Komplex wurde nie ganz fertiggestellt, und zwischen der obersten Plattform und den unteren Treppen fehlt ein beachtlicher Teil. Diese kleine Unschönheit in der bekannten Sehenswürdigkeit ist Klein R egal. Begeistert „tschuttet“ sie ihre komische runde Frucht von zuoberst bis zuunterst. Dies zur allgemeinen Erheiterung der anderen Besucher.

Weiter geht es zum Theater und in die Shoppingmeile. Wir laufen viele Kilometer und erkennen, dass die Stadt kaum mehr über alte Gebäude verfügt. Einzig der Platz der Republik ist noch umrahmt von schönen Bauten aus den 1920er Jahren und irgendwo soll es noch ein Altstadt-Quartier geben. Die meisten anderen Strassen und Plätze werden dagegen von eher unauffälligen Neubauten oder Gebäuden im Sowjet-Stil bewohnt. Eine weitere Attraktion, der grosse Brunnen vor dem Historischen Museum ist leider bereits leer. In den Sommermonaten soll hier jeden Abend ein Wasser- und Lichtspektakel stattfinden.
Auffällig anders ist das Matenadaran Gebäude. Hier befindet sich Jerewans ganzer Stolz: das Zentralarchiv für alte Handschriften. Wie langweilig, werden die meisten jetzt wohl denken. Dachten wir auch. Aber wir haben es uns trotzdem angeschaut, denn irgendwie gab es sonst wenig zu tun. Und wir müssen sagen, so langweilig war das Ganze gar nicht. Da lagen unglaublich aufwändig gestaltete uralte Bücher und Schriftrollen aus aller Welt und wir erhielten eine Idee davon, welchen Wert solche Schriften in der Vergangenheit hatten.

Wie gesagt gibt es in Jerewan für uns wenig zu tun und die Sehenswürdigkeiten lassen sich an einer Hand abzählen. Und so verlassen wir nach nur zwei Tagen die Hauptstadt und fahren wieder aufs Land. Im Auto philosophieren wir etwas über Armenien. Wir mögen falsch liegen, aber auf uns wirkt es ein wenig so, als sehne sich Armenien nach den alten Zeiten, in denen ihre Schriften und Gelehrten Vorreiter für andere Völker waren. Im Hier und Jetzt scheint es keinen klaren Plan nach vorne zu geben. Das einst grosse Reich hat viel Boden verloren und litt unter grausamen Massakern, Vertreibungen und kriegerischen Konflikten. Wir hoffen, dass die Armenier in Zukunft in Frieden ihr Land weiter entwickeln können. Denn die Wirtschaft scheint gut diversifiziert und ist seit einigen Jahren im Aufwind,
Nichtsdestotrotz kämpft das Land weiterhin mit vielen Auswanderern. Die Armenische Diaspora gehört zu den Grössten – mehrere Millionen leben auf der ganzen Welt verteilt. Wir treffen eine junge, wiffe Ärztin, die uns erzählt, dass es für sie hier nichts gäbe. Sie wolle etwas bewegen und dafür müsse sie weg. Sie will nach Spanien.
Die junge Dame treffen wir übrigens auf einer Schneckenfarm – richtig gelesen. Per Zufall sehen wir in einem unscheinbaren Dorf ein buntes Schild mit der Aufschrift „Sunny Snails“. Wir biegen kuzrerhand rechts ab und landen auf Armeniens erster Schneckenfarm. Die Familie betreibt hier auch ein Restaurant und so bestellen wir munter Schnecken von der ansprechenden Speisekarte. Leider übersehen wir beim Preis eine Null und so wird das Ganze ein vergleichsweise teurer Spass. Aber die Häppchen waren wirklich exzellent! Immerhin kriegen wir noch einen kleinen Rabatt, denn beim Zubereiten der Schneckenpasta fiel urplötzlich der Strom aus. Wir stellten der verzweifelten Köchin schliesslich unseren Benzinkocher bereit und so kam auch Klein R noch zu ihren Schnecken.
Im Dorf der Schneckenfarm sind wir eigentlich aus einem ganz anderen Grund. Wir wollen ein verlassenes Weltall-Observatorium aus Sowjet-Zeiten besichtigen. Dies ist keine offizielle Sehenswürdigkeit aber es heisst, mit den richtigen Geldscheinen werde einem das Tor geöffnet 😊. Mal schauen, ob es klappt!
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